Das Verständnis einiger Grundlagen der Elektrophysiologie ist zur
korrekten Interpretation eines Elektrokardiogramms (EKG) erforderlich.
Die elektrische Aktivität der kardialen Muskelzellen und -fasern besteht
aus einer Depolarisation gefolgt von einer Repolarisation. Dieses ist
bedingt durch eine Umverteilung verschiedener Ionen (Kalium, Kalzium und
Natrium) über die Zellmembran.
Depolarisation und Repolarisation der kardialen Muskelzellen
Depolarisation
In Ruhe ist die kardiale Zelle “polarisiert”. Sie ist außen positiv und
innen negativ geladen, d.h. es besteht eine extra - intrazelluläre
Potenzialdifferenz ( A). Eine Stimulation (links in der Abbildung)
erzeugt eine Modifikation der Permeabilität der zellulären Membran mit
einer Inversion der elektrischen Ladungen, welche intrazellulär positiv
und extrazellulär negativ werden. Diese Depolarisation verteilt sich
über die Muskelzelle ( B), welche komplett depolarisiert wird ( C). Die
Depolarisation wird auf die benachbarten Zellen übertragen, welche auf
die gleiche Art und Weise depolarisiert werden. Die Ausbreitung der
Depolarisation entlang der Muskelzelle wird verdeutlicht durch einen
Vektor, welcher die Richtung der Depolarisation anzeigt, von negativ
nach positiv.
Repolarisation
Nach der Depolarisation erfolgt die Repolarisation der Zelle (A),
welche den elektrischen Ladungszustand vor der Depolarisation
wiederherstellt. Wie die Depolarisation entwickelt sich die
Repolarisation entlang der Zelle, entweder in die entgegengesetzte (B)
oder in die gleiche Richtung (C) mit dem gleichen Resultat, d.h. einer
außen positiv und innen negativ geladenen Zelle (D). Der Vektorpfeil
hat also eine umgekehrte Richtung, von positiv zu negativ.
Die Depolarisation und die Repolarisation können beide durch einen
Vektor oder Pfeil verdeutlicht werden, der die Richtung der
Erregungsausbreitung anzeigt. Hierbei ist dieser während der
Depolarisation positiv an der Spitze und negativ am Ursprung. Für die
Repolarisation trifft das Gegenteil zu, negativ an der Spitze und
positiv am Ursprung. Zusammenfassend drückt der Pfeil die Richtung der
elektrischen Welle aus: An seinem Ursprung ist der Vektor der
Depolarisation negativ, jener der Repolarisation positiv.
Das Aktionspotential: Die elektrische Aktivität der Zelle
Das Aktionspotential spiegelt die Variation des transmembranösen
Potenzials während der Aktivierung der kardialen Zelle wider (gemessen
zwischen zwei Elektroden, einer intra- und einer extrazellulären).
Dieses Potenzial beinhaltet fünf von den Ionenbewegungen abhängige
Phasen. Aktive Prozesse erhalten den intrazellulären Kalium- und
extrazellulären Natriumüberschuss, welche die transmembranöse
Potenzialdifferenz sichern.
Die initiale Phase (oder Phase 0) ist die Phase
der Depolarisation. Sie entspricht dem Moment des schnellen
Einstroms der Ionen Na⁺ und Ca⁺⁺. Der Einstrom von
Na⁺ erfolgt
schnell und mit einer grossen Quantität, mit der Folge, dass das
transmembranöse Potenzial sich plötzlich von -90 mV auf +30
mV ändert. Die Spannungsänderung hat eine große Amplitude mit einer
fast vertikalen Ausrichtung.
Mit der Phase 1 beginnt die Repolarisation (welche das
Aktionspotenzial wieder zu den Ausgangswerten zurückbringt). Diese
relativ rasche Potenzialänderung mit kleiner Amplitude entspricht
dem Einstrom der Cl⁻ -Ionen.
Während der Phase 2 hält der Einstrom von Ca⁺⁺ das
Aktionspotenzial auf einem relativ stabilen und anhaltenden Niveau.
Diese Phase determiniert die Dauer des Aktionspotenzials.
In der Phase 3 verringert sich der Einstrom von Ca⁺⁺ deutlich.
Ferner kommt es zu einem schnellen und massivem Ausstrom von K⁺.
Dies bewirkt eine Rückkehr des transmembranösen Potenzials
zum Ausgangswert.
In der Phase 4 werden durch einen aktiven, energieverbrauchenden
Prozess der Zellmembran die Na⁺ - Ionen, die während der
Depolarisation in das Zellinnere eingeströmt sind, mit den nun im
Extrazellularraum befindlichen K⁺ - Ionen ausgetauscht. Damit wird
die ursprüngliche intra- und extrazelluläre
Ionenverteilung wiederhergestellt.
Die beschriebenen Vorgänge sind in der Realität wesentlich komplexer, da
es zwei verschiedene Typen des Aktionspotenzials gibt: Eines, welches in
den Vorhöfen, den Ventrikeln und dem Erregungsleitungssystem (den
His-Purkinje-Fasern), und eines, das im Sinus- und im AV-Knoten
stattfindet. Letzteres unterscheidet sich wie folgt (dies ist wichtig
zum Verständnis der Entstehung von Arrhythmien):
Die Depolarisation ist bedingt durch das langsame Einströmen von
Ca⁺⁺ - Ionen, dies erklärt die längere Phase 0 und damit eine
langsamere Überleitung.
Die Schwelle der Erregbarkeit ist weniger negativ (-50 mV).
Das Ruhepotenzial ist nicht stabil sondern langsam aszendierend. Es
entwickelt sich eine langsame, spontane und progressive
Depolarisation während der Diastole, welche bei der oben genannten
Schwelle der Erregbarkeit ein Aktionspotenzial auslöst. Dieses
Phänomen ist die Basis für die Automatizität der
Schrittmacherzentren im Sinus- und AV-Knoten. Die Depolarisation ist
im Sinusknoten schneller als im AV-Knoten, dies wird beim Ausfall
des Sinusknotens ersichtlich, ein Ersatzrhythmus aus dem AV-Knoten
übernimmt dann in den meisten Fällen die Schrittmacherfunktion.
Refraktärperioden
Während der drei ersten Phasen der Repolarisation befindet sich die
Zelle in der “Refraktärperiode”: Man unterscheidet zwei unterschiedliche
Phasen: In der absoluten Refraktärperiode ist die Zelle unerregbar, dies
entspricht der Zeit bis Ende der ST-Strecke. Am Ende der 3. Phase
(T-Welle im EKG) wird die Refraktärperiode “relativ”, d.h. während
dieser Zeit kann eine Erregung ein “deformiertes” Aktionspotenzial
auslösen, die Steigung der Phase 0 ist schwächer und damit die
Erregungsausbreitung langsamer.