Erregungsausbreitungsstörungen können die sino-atriale,
atrio-ventrikuläre oder intraventrikuläre Erregungsausbreitung
betreffen. Die verschiedenen Störungen sind in diesem Kapitel
beschrieben.
Die atrio-ventrikulären Blockierungen (AV-Blockierungen)
Die Überleitung kann auf unterschiedlichem Niveau gestört sein. Erinnern
wir uns, dass die AV-Überleitung formal lediglich die
Erregungsausbreitung über den AV-Knoten und das His-Bündel betrifft. Im
Oberflächen-EKG kann diese Überleitung allein nicht gemessen werden, das
Intervall, das zur Bestimmung der AV-Überleitung gemessen wird, enthält
auch die Zeit der Erregung der Vorhöfe.
Abhängig vom Schweregrad unterscheidet man drei unterschiedliche Typen.
Suprahissär, oberhalb des His-Bündels inklusive des AV-Knotens.
Intrahissär, im His-Bündel.
Infrahissär, unterhalb des His-Bündels, gleichzeitig beide
Tawara-Schenkel betreffend.
Der AV-Block ersten Grades (I°)
Der AV-Block I° zeigt sich als Verlängerung des PQ- oder PR-Intervalls
auf über 200 ms. Es handelt sich nicht um einen Block im eigentlichen
Sinne, sondern um eine Leitungsverzögerung. Zur Erinnerung, das
Intervall wird gemessen vom Beginn der P-Welle bis zum ersten Ausschlag
des QRS-Komplexes (Q- oder R-Zacke). Dieses Intervall enthält die
Erregungsausbreitung vom Sinusknoten über die Vorhöfe, den AV-Knoten und
das His-Bündel. In einigen Ableitungen kann der Beginn der P-Welle
isolelektrisch sein, welches die PR-Zeit künstlich verkürzen würde. Aus
diesem Grund muss das Intervall immer in der Ableitung gemessen werden,
in der es am längsten ist. Dieser Block bzw. diese
Leitungsverzögerung ist meist im AV-Knoten lokalisiert.
Der AV-Block zweiten Grades (II°)
Es existieren zwei verschieden Typen.
AV-Block II° Typ Wenckebach
Der AV-Block II° Typ Wenckebach oder Mobitz I manifestiert sich durch
eine kontinuierliche Verlängerung der AV-Überleitung bis zum Ausfall
einer Überleitung bzw. Blockade einer P-Welle. Dies reproduziert sich
regelmäßig mehr oder weniger schnell. Bei der Messung der PQ-Zeit stellt
man eine kontinuierliche Verlängerung des Intervalls fest, bis eine
P-Welle nicht mehr auf die Herzkammern übergeleitet wird. Dieser Block
tritt häufig bei einer Akzeleration der Herzfrequenz auf.
Die sogenannte Wenckebachperiodik ist von 4 Elementen charakterisiert:
Das erste PQ-Intervall ist normal oder leicht verlängert.
Eine kontinuierliche Verlängerung (über 3 bis 4 Zyklen)
des PQ-Intervalls.
Schließlich wird eine P-Welle nicht übergeleitet.
Eine Verkürzung der vorhergehenden RR-Intervalle vor der nicht
übergeleiteten P-Welle mit einer leichten Beschleunigung der
basalen Herzfrequenz.
AV-Block II° Typ Mobitz II
Der AV-Block II° Typ Mobitz II ist charakterisiert durch einen Block
ohne vorhergehende Verlängerung der AV-Überleitungszeit bzw. des
PQ-Intervalls. Es werden also eine oder mehrere P-Wellen blockiert. Die
Vorhoferregung bleibt regelmäßig, aber man beobachtet eine gelegentliche
phasische ventrikuläre Arrhythmie, d.h. das PP-Intervall, welches einen
QRS-Komplex beinhaltet, ist kürzer als die vorhergehenden. Häufig ist
dieser Block mit einem breiten QRS-Komplex assoziert. Es handelt sich
meist um einen infrahissären Block.
Besonderer Fall: Der AV-Block II° 2:1
Der AV-Block II° mit 2:1-Überleitung (2:1-Block) kann ein Block Typ
Mobitz I oder II sein, d.h. infrahissär oder intranodal. Die erste
atriale Erregung wird übergeleitet, die zweite nicht, dies wiederholt
sich repetitiv. Es sind also gleich viele übergeleitete wie nicht
übergeleitete P-Wellen und damit die doppelte Anzahl von P-Wellen
verglichen mit QRS-Komplexen vorhanden.
Der AV-Block dritten Grades (III°) oder kompletter AV-Block
Der AV-Block III° wird auch kompletter AV-Block bezeichnet. Dies bezieht
sich auf die komplette und permanente Unterbrechung der AV-Überleitung.
Die Vorhofaktivität bleibt ein Sinusrhythmus, die Kammeraktivität wird
durch einen ventrikulären Automatismus (Ersatzrhythmus) gesichert,
dessen Frequenz deutlich tiefer liegt (40 bis 50/min). Es gibt also zwei
völlig voneinander unabhängige Rhythmen (dissoziiert), einen atrialen
Rhythmus, gekennzeichnet durch die P-Wellen, und einen ventrikulären
Rhythmus, gekennzeichnet durch die QRS-Komplexe ( und , und ). Bei
Auftreten des kompletten Blocks kann es einige Sekunden bis zur
Entstehung des ventrikulären Ersatzrhythmus dauern. Es entsteht also
eine ventrikuläre Pause, welche für eine Synkope verantwortlich sein
kann.
Ein AV-Block kann auch bei Abwesenheit eines Sinusrhythmus vorhanden
sein, beispielsweise bei Vorhofflimmern oder –flattern. In diesem Fall
erkennt man im EKG anstatt der P-Wellen Oszillationen der Grundlinie
oder Flatterwellen und, bei einem tiefergelegenen Ersatzrhythmus, eine
komplett regelmäßige Abfolge der QRS-Komplexe.
Die anatomische Lokalisation der Blockierung
Die anatomische Lokalisation der Blockierung kann therapeutische
Konsequenzen haben. Die Morphologie des EKGs hängt zum einen von dieser
Lokalisation und zum anderen vom Ursprung des Ersatzrhythmus ab.
Suprahissärer Block
Der Ursprung des Ersatzrhythmus ist in der Regel nodal oder hissär. In
beiden Fällen breitet sich die Erregung über das His-Bündel und die
beiden Tawara-Schenkel auf die Kammern aus (unverändert zu einer
normalen Erregungsausbreitung). Die QRS-Komplexe sind also schmal.
Allerdings kann ein vorbestehender Schenkelblock den QRS-Komplex
verbreitern, welcher dann die klassische Morphologie eines
Schenkelblocks (oder Hemiblocks) besitzt.
Intrahissärer Block
Der Ersatzrhythmus ist in diesem Fall im distalen Teil des His-Bündels
lokalisiert und beide Tawara-Schenkel werden wie beim suprahissären
Block simultan depolarisiert. Falls kein vorbestehender Schenkelblock
vorhanden ist, ist der QRS-Komplex ebenfalls schmal.
Infrahissärer Block
Der infrahissäre Block ist das Resultat einer Läsion, die gleichzeitig
die beiden Tawara-Schenkel betrifft. Der Ersatzrhythmus, distal der
Läsion gelegen, befindet sich also im distalen Teil eines der beiden
Schenkel oder in der Kammer.
Ein durch diese Situation generierter Ersatzrhythmus besitzt einen
breiten QRS-Komplex, wie es ein kontralateraler Schenkelblock bedingen
würde.
Wenn beispielsweise der Ersatzrhythmus im linken Tawara-Schenkel
lokalisiert ist, entspricht die Morphologie des QRS-Komplexes einem
Rechtsschenkelblock verbunden mit einem linksposterioren Hemiblock.
Im Falle einer Lokalisation des Ersatzrhythmus im Ventrikel wäre die
Morphologie des QRS-Komplexes sehr breit und atypischer geprägt, keinem
typischen Schenkelblockbild entsprechend. Dieser Rhythmus wird
“idioventrikulär” benannt.
Diagnostische Elemente
Das Oberflächen-EKG erlaubt keine Unterscheidung zwischen suprahissären
und intrahissären Block. Die Erfahrung zeigt aber, dass der komplette
AV-Block mit schmalem QRS-Komplex eher intrahissär als suprahissär
gelegen ist (nodal oder junktional). Ein Block III° mit einem atypisch
stark verbreiterten QRS-Komplex, der keinem typischen Schenkelblock
entspricht, ist immer infrahissär. In diesem Fall ist die Lokalisation
des Blocks nur durch eine endokardiale Ableitung bestimmbar.
Schmaler QRS-Komplex
Es handelt sich um einen suprahissären, nodalen oder intrahissären
Block.
Breiter QRS-Komplex mit Linksschenkelblockmorphologie
Es handelt sich meist um einen infrahissären Block. Häufig bestand
bereits ein unilateraler Block, aufgrund einer Leitungsstörung im
zweiten Schenkel entsteht ein kompletter AV-Block.
In einigen Fällen kann ein supra- oder intrahissärer Block mit breiten
QRS-Komplexen bestehen, in diesem Fall handelt es sich um einen hohen
AV-Block mit einem Schenkelblock.
Bei einem Block mit atypischem breitem QRS-Komplex befindet sich der
Ersatzrhythmus in der Kammer, es besteht ein “idioventrikulärer”
Rhythmus.