Erregungsausbreitungsstörungen können die sino-atriale,
atrio-ventrikuläre oder intraventrikuläre Erregungsausbreitung
betreffen. Die verschiedenen Störungen sind in diesem Kapitel
beschrieben.
Intraventrikuläre Erregungsleitungsstörungen
Wenn die Erregungsausbreitung in einem der Tawara-Schenkel unterbrochen
ist, setzt sich diese im normalleitenden Schenkel fort und erregt dort
das zugehörige Myokard. Über das Myokard erfolgt die weitere
Erregungsausbreitung, allerdings verlangsamt, und damit die Aktivierung
des kontralateralen Ventrikels. Die verlangsamte Erregungsausbreitung
über das Myokard manifestiert sich im EKG durch eine Verbreiterung des
QRS-Komplexes auf ≥ 120 ms.
Der Linksschenkelblock
In diesem Fall ist die Erregungsausbreitung im linken Tawara-Schenkel
blockiert. Die Aktivierung der Ventrikel erfolgt über den rechten
Tawara-Schenkel. Dies geschieht über das inferiore Drittel der rechten
Seite des Septums, die Erregung breitet sich von rechts nach links aus.
Die Aktivierung (normalerweise von links nach rechts) ist also
umgekehrt. Im Oberflächen-EKG zeigt sich die normale Erregung des
Septums mit einer q-Zacke in V6 (und I). Diese q-Zacke verschwindet mit
der umgekehrten Septumaktivierung. Durch die verlangsamte
Erregungsausbreitung erfolgt die Aktivierung des linken Ventrikels nach
dem rechten Ventrikel. Es besteht also eine “ventrikuläre Asynchronie”,
welche sich im EKG durch folgende Punkte feststellen lässt:
Ein positiver Ausschlag in V6 ohne q-Zacke. In V1 eine tiefe und
breite S-Zacke, gelegentlich mit einer kleinen
vorausgehenden r-Zacke. Falls dies nicht der Fall ist, besteht
eine QS-Morphologie.
Die Welle der Erregung aktiviert nun das Septum von rechts
nach links. Es besteht eine verzögerte Aktivierung, welche eine
Verbreiterung des QRS-Komplexes auf ≥ 120 ms bewirkt. Dies
bedingt eine starke Negativität in V1 und einen stark positiven
Ausschlag in V6.
Die Aktivierung der freien Wand des linken Ventrikels geschieht auf
normalem Weg und beendet die linksventrikuläre Depolarisation. Dies
spiegelt sich in einem letzten positiven Ausschlag in V6 wider.
Die Repolarisation geschieht in umgekehrter Reihenfolge zur
Depolarisation, weshalb die T-Welle stark negativ in den linken
präkordialen Ableitungen ist.
Die EKG-Kriterien des Linksschenkelblocks:
Dauer des QRS-Komplexes ≥ 120 ms.
Deformation des QRS-Komplexes mit ventrikulärer Asynchronie. Breite
R-Zacke in V6 und rS- oder QS-Morphologie in V1.
Verbreiterung des QRS-Komplexes abhängig vom Grad des Blocks,
maximal bei komplettem Block, intermediär bei inkomplettem Block
(> 110 ms aber < 120 ms).
Inversion der T-Wellen in V5 und V6.
Wenn die Erregungsausbreitung über den linken Schenkel nicht vollständig
blockiert, sondern lediglich verlangsamt ist, spricht man vom
“inkompletten” Linksschenkelblock. Das EKG entspricht der Morphologie
des Linksschenkelblocks, allerdings weniger stark ausgeprägt, die
Verbreiterung ist zwischen der physiologischen Dauer des QRS-Komplexes
und der eines signifikanten Linksschenkblocks, d.h. sie beträgt um 110
ms.
Der linksanteriore Hemiblock
Ein Block des anterioren linken Tawara-Schenkels, genannt
linksanteriorer Hemiblock, provoziert eine Abweichung der elektrischen
Achse nach links, teilweise deutlich weiter als - 30°. In der
Frontalebene bleibt eine kleine q-Zacke in I vorhanden, die S-Zacke ist
tief in den inferioren Ableitungen (II, III, aVF), als Spiegelbild ist
eine R-Zacke mit großer Amplitude in den linken Ableitungen (I, aVL)
vorhanden; in den präkordialen Ableitungen ist die Zone des
R-S-Übergangs in Richtung der letzten Ableitungen mit einer tiefen
S-Zacke in V6 verschoben.
Die EKG-Kriterien des linksanterioren Hemiblocks:
Morphologie des QRS-Komplexes in den präkordialen Ableitungen
ähnlich der normalen Morphologie mit teilweise tiefer S-Zacke in V6.
qR-Morphologie in I, rS in II und III (tiefe S-Zacken).
Linksverlagerung der Achse des QRS-Komplexes in der frontalen Ebene
(Achse > - 30°).
Tiefe S-Zacke in V6.
Der linksposteriore Hemiblock
Der linksposteriore Hemiblock bewirkt gegensätzliche Veränderungen des
EKGs im Vergleich zum linksanterioren Hemiblock: Die elektrische Achse
ist nach rechts gedreht, zwischen + 90° und + 180°, tiefe S-Zacken
dieses Mal in den Ableitungen I und aVL und großen R-Zacken mit kleiner
vorausgehender q-Zacke in den inferioren Ableitungen (Aspekt S1,q3).
Die EKG-Kriterien des linksposterioren Hemiblocks:
rS-Morphologie in I und qR in II und III (große R-Zacken).
Rechtsdrehung der Achse des QRS-Komplexes.
Unveränderte präkordiale Ableitungen.
Kompletter Rechtsschenkelblock
In diesem Fall ist die Überleitung über den rechten Tawara-Schenkel
komplett unterbrochen. Die Aktivierung der Kammern geschieht über den
linken Tawara-Schenkel wie folgt:
Der Beginn der Kammererregung ist nicht verändert: V1 behält den
positiven initialen Ausschlag (r-Zacke), reflektiert durch eine
initiale q-Zacke in V6.
Die Vektoren der linken Kammererregung sind nur wenig verändert: in
V6 bleibt der Ausschlag positiv (R-Zacke), welches einem negativen
Ausschlag in V1 entspricht (S-Zacke).
Die Erregung wechselt im weiteren Verlauf von links nach rechts, um
den terminalen Anteil des rechten Tawara-Schenkels distal der Läsion
zu erreichen. Es folgt die Aktivierung des rechten Anteils des
Septums und der freien Wand des rechten Ventrikels. Dies provoziert
einen neuen positiven Ausschlag in V1 (R’-Zacke) und eine terminale,
leicht verbreiterte S- oder s-Zacke in I und V6.
Die EKG-Kriterien des kompletten Rechtsschenkelblocks:
Dauer des QRS-Komplexes ≥ 120 ms.
Unveränderter initialer Anteil der ventrikulären Aktivierung
(persistierende r-Zacke in V1 und q-Zacke in V6).
Veränderter terminaler Anteil der Kammererregung mit einer zweiten
positiven Zacke in V1 (R’-Zacke) sowie einer terminalen negativen
Zacke in V6, welche die verzögerte Erregung des rechten
Ventrikels widerspiegelt.
QRS-Komplex mit rSR’-Morphologie in V1.
Negative T-Wellen in V1 bis V3.
Inkompletter Rechtsschenkelblock
Die Morphologie des QRS-Komplexes gleicht dem kompletten
Rechtsschenkelblock (R’-Zacke in V1), die Verlängerung ist allerdings
weniger stark ausgeprägt (< 120 ms). Die Erregungsleitung ist
nicht komplett blockiert, sondern lediglich verlängert.
Bi- oder trifazikulärer Block
Die häufigste Form des bifaszikulären Blocks ist die Assoziation des
linksanterioren Hemiblocks mit einem kompletten Rechtsschenkelblock. In
diesem Fall ist die elektrische Achse deutlich nach links gedreht
(überdrehter Linkstyp, - 30° bis - 90°). Weniger häufig findet sich ein
linksposteriorer Hemiblock mit einer Rechtsdrehung der Achse (über +
90°).
Im strikten Sinne besteht beim trifaszikulären Block eine Assoziation
eines kompletten Rechtsschenkelblocks mit einem alternierenden Block der
beiden linken Teilschenkel.
Andere Varianten des bi- oder trifaszikulären Blocks sind mit dem EKG
nicht zu identifizieren, beispielsweise:
Ein gleichzeitiger Block der beiden linken Hemischenkel, dieser
stellt sich als Linksschenkelblock im EKG dar.
Ein gleichzeitiger Block beider Tawaraschenkel.
Ein kompletter Block des rechten Tawaraschenkels und der beiden
linken Hemi-Tawaraschenkel.