Vor dem Beginn mit der Beschäftigung mit Herzrhythmusstörungen sollten
einige elektrophysiologische Grundlagen in Erinnerung gerufen werden.
Das Aktionspotenzial
Das Aktionspotenzial spiegelt die elektrische Aktivierung, direkt im
Inneren der Herzmuskelzelle abgeleitet, wider. Diese Aktivität ist
bedingt durch den transmembranösen Ein- und Ausstrom der Ionen Natrium,
Kalzium, Kalium und Magnesium. Das Aktionspotenzial besteht aus 5
Phasen, welche bereits ausführlich im zweiten Kapitel beschrieben wurden
und hier nicht erneut dargelegt werden sollen. Andere Grundlagen werden
im Folgenden noch einmal eingehender erwähnt.
Wichtige Grundlagen
Die Erregbarkeit: Sie hängt von dem metabolischen Zustand der
kardialen Zelle, der Depolarisationschwelle, der Dauer der
Refraktärperiode und der Inhomogenität des Myokards (variabel,
abhängig je nach betroffener Struktur) ab.
Die Erregungsausbreitung: Sie ist direkt abhängig von der
Erregbarkeit der Zelle, da diese die Erregung nur weiterleiten kann,
wenn sie regelrecht erregbar ist. Die Geschwindigkeit der
Depolarisation (Phase 0 des Aktionspotenzials) bestimmt die
Geschwindigkeit der Erregungsausbreitung.
Die Automatizität: Eine gewisse Gruppe von Zellen besitzt die
Eigenschaft einer periodischen und rhythmischen Depolarisation; dies
wird bedingt durch eine spontane, progressive Depolarisation während
der Diastole, bis das Schwellenpotenzial erreicht wird. Diese
Eigenschaft besitzen gewisse Schrittmacherzentren wie der
Sinusknoten und der AV-Knoten. Andererseits kann dies auch latent
überall im kardialen Gewebe vorhanden sein.
Mechanismen zur Entstehung von Arrhythmien
Man unterscheidet zwei verschiedene Formen der Entstehung:
Erregungsbildungsstörungen und die Störungen der Überleitung.
Erregungsbildungsstörungen:
Erhöhte Automatizität. Es handelt sich um eine inadäquate
spontane Entladung, welche in Zellen entsteht, in denen das
diastolische Potenzial reduziert ist (z.B.
ischämische Myokardzellen).
Getriggerte Aktivität. Sie entsteht durch frühzeitig (in die
Phase 2 oder 3 des Aktionspotenzials) oder spät (in die Phase 4
des Aktionspotenzials) einfallende Nachdepolarisationen; es
handelt sich um oszillierende Depolarisationen, welche abhängig
vom vorhergehenden Aktionspotenzial sind. Die frühzeitigen
Nachdepolarisationen treten beispielsweise beim langen
QT-Syndrom auf, die späte Form bei Digitalisintoxikationen.
Erregungsausbreitungs- /-überleitungsstörungen. Diese Störungen
(Verlangsamung oder Blockierung der Erregungsausbreitung) können als
eine der häufigsten Ursachen für Tachykardien pathologische
kreisförmige Erregungen (“Reentry”) begünstigen. Die Entstehung
eines Reentrys benötigt drei Voraussetzungen:
Eine lokalisierte Störung der Erregungsausbreitung.
Zwei Leitungsbahnen, eine anterograd- und eine
retrograd-leitend, mit unterschiedlichen
elektrophysiologischen Eigenschaften.
Ein unidirektionaler Block in einer der zwei Leitungen.
Die Abfolge der unten erklärten Ereignisse ist notwendig zur Entstehung
einer Reentry-Tachykardie.
A
α Die Geschwindigkeit der Überleitung ist schnell und die Refraktärperiode lang.
β Die Geschwindigkeit der Überleitung ist langsam und die Refraktärperiode kurz.
B
α Die Depolarisation erreicht das Ende der Bahn α als erstes und depolarisiert dort das Mykard.
β Die Depolarisation wird am distalen Ende der Bahn blockiert.
C
α Die Depolarisation wird blockiert am Beginn der Bahn α.
β Die Depolarisation breitet sich über die Bahn β anterograd aus und kehrt über die Bahn α zurück.
C
Die Tachykardie ist initiiert.
Im Sinusrhythmus breitet sich die elektrische Erregung über beide
Leitungsbahnen α und β in anterograder Richtung aus. Die
Geschwindigkeit der Ausbreitung ist deutlich schneller in der Bahn
α als in der Bahn β. Wenn die Depolarisation am Ende der
Leitungsbahn β ankommt, kann sie nicht weitergeleitet werden, da
sich das Gewebe, welches bereits über die Bahn α depolarisiert
wurde, an dieser Stelle wieder im refraktären Zustand befindet. Bei
Auftreten einer atrialen Extrasystole und wenn die Bahn α im
refraktären Zustand ist (die Bahn α hat eine längere
Refraktärzeit als die Bahn β) wird die Erregung über die langsame
Bahn β übergeleitet. Bei Ankunft im Ventrikel wird die Erregung
sowohl anterograd auf die Ventrikel als auch retrograd über die
wiedererregbare Bahn α auf die Vorhöfe übergeleitet. Bei Ankunft
am Ausgangspunkt kann die Erregung wieder über die Bahn β
anterograd übergeleitet werden. Es entsteht eine kreisende Erregung,
welche sich wiederholt und eine Tachykardie auslösen kann. Dieser
Mechanismus kann an verschiedenen Orten im Herzen auftreten,
beispielsweise bei Patienten mit einer akzessorischen Leitungsbahn. Ein
Reentrymechanismus ist ebenfalls verantwortlich für die Entstehung von
ventrikulären Tachykardien nach einem Myokardinfarkt.
Die Bedeutung und Auswirkung einer Tachykardie hängt vom klinischen
Kontext ab. Um über Therapiemaßnahmen entscheiden zu können, ist es
erforderlich, Ausgangspunkt und Mechanismus zu klären. Die QRS-Dauer ist
die beste Methode zur Klassifikation der Tachykardien. Anhand dieser
unterscheidet man Tachykardien mit schmalem QRS-Komplex (Dauer <
120 ms), meist supraventrikulären Ursprungs, und mit breitem QRS-Komplex
(Dauer ≥ 120 ms), welche meist ventrikulären Ursprungs sind, mit
folgenden Ausnahmen: vorbestehender oder funktioneller Block, welcher
den QRS-Komplex einer supraventrikulären Tachykardie verbreitert. Ferner
besteht die Möglichkeit des Auftretens einer supraventrikulären
Tachykardie mit Präexzitation. Diese Tachykardien im Rahmen des
sogenannten Wolff-Parkinson-White-Syndrom stellen einen besonderen Fall
dar, da sie sich teils mit breiten, teils mit schmalen QRS-Komplexen, je
nach elektrophysiologischen Eigenschaften, präsentieren.